Der Buchstabenarchitekt – Wenn sich Unternehmen Schriftarten wünschen

Paul Troppmair ist ein digitaler Schriftkünstler. Was macht so jemand? Und wie passt die klassische Kalligrafie zur digitalen Typoerstellung?


Es war Samstagmorgen und ich hatte einen Skype-Termin mit Paul Troppmair. Der Buchstabenarchitekt erzählte mir mit angenehmer Stimme seine Lebensgeschichte. Er wurde in Österreich geboren und ist dort zur Schule gegangen. Danach studierte er in St. Pölten an der New Design University und spezialisierte sich auf Grafikdesign und zweidimensionale Gestalltung.


Stolz berichtete er von seinem Mentor und damaligen Vorbild Giovanni De Faccio. Ein Schriftkünstler, der auch Mitglied beim Global Calligraphy Vienna ist und offenbar die Talente meines Gesprächspartners sofort bemerkt hatte. Durch seinen Einfluss orientierte sich Paul Troppmair in seiner Studienzeit immer mehr an der Kalligrafie und entdeckte die Leidenschaft zu den einzelnen Buchstaben. Dieser Einfluss war wohl ausschlaggebend dafür, dass er den Master an der Royal Academy of Art The Hague in Den Haag begann. Dort tauchte ein neuer Name auf, der den Buchstabenarchitekten beeinflusste. Erik Van Blokland war es, der Paul in seinem Studiengang „typenmedia Programm“ maßgeblich in die heutige berufliche Richtung wies.


Paul Troppmair Buchstabenarchitekt
Die berufliche Laufbahn begann zuerst mit einem Praktikum in Berlin, dann ging er nach London und anschließend wieder nach Berlin, wo er bei einer Werbe- und Kommunikationsagentur zu arbeiten anfing. Danach ergaben sich ein paar Jahre der Selbstständigkeit. In diesem Zeitraum veröffentlicht er die erste eigene Schriftart. „Gambetta“ heißt dieses Werk aus Buchstaben. Sie können sie noch heute bei www.fontstore.com kaufen. Der Reiz, Vollzeit als Schriftgestalter zu arbeiten, war der Grund, warum es Paul Troppmair wieder nach London verschlagen hat. Dort arbeitet er für die Dalton Maag Ltd. und entwickelt für Unternehmen individuelle Schriftarten. So entstehen ganz neue Möglichkeiten im Bereich Corporate Identity für seine Kunden. Sie sparen sich die teuren Lizenzgebühren für kommerzielle Fonts, da sie nur einmal den Auftrag zu bezahlen haben.


Ich begann zu verstehen, warum Paul Troppmair seine Leidenschaft, Buchstaben zu kreieren, so viel bedeutet und so eine enorme Nachfrage in der Wirtschaft besteht. Im Skype-Interview berichtete er mir, wie wichtig die klassische Ausbildung in der Kalligrafie war, um die heutigen Anforderungen zu erfüllen. Das antrainierte und vermittelte Verständnis der Kalligrafie, der Buchstaben, der Formen und Eigenschaften der Kalligrafie ist ihm ins Blut übergegangen. Noch immer zeichnet er mit Feder und Tinte die Skizzen der geschwungenen Buchstaben. Dafür würde er sich viel mehr Zeit wünschen. Denn im Ablauf eines Projekts ist er leider nur ein Zahnrad, das ins nächste greifen und sich dem Tempo des Kundenwunsches anschließen muss. Er würde viel mehr mit der Spitzfeder, Breitfeder, Filzstift und seinem Arbeitsmaterial an den Strichen und Kurven tüfteln wollen. Für perfekte und einmalige Ergebnisse, die es dann per Scan in die digitale Welt schaffen und dort weiter bearbeitet werden.




Paul Troppmair Schrift
Sich in einem kreativen Beruf unter Zeitdruck zu behaupten, fordert viel Kraft und einen kühlen Kopf. Um sich zu entspannen, macht Paul Troppmair deshalb Musik und spielt vor allem Gitarre. Und er skizziert Vorlagen für Tattoos, die er sogar selbst auf die Haut der Mutigen sticht. Auch während seiner Auszeiten lassen also den Künstler seine Buchstaben nicht los, denn die Tattoos bestehen meistens aus Buchstabenformen. Er nennt das Projekt TypeTattoo.


Er berichtet mir, dass es für seine Oma schwer vorstellbar ist, dass ihr Enkel mit dem Entwerfen von Schriften seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Und überhaupt ist es sehr schwer, den Nicht-Schriftinteressierten die Aufgaben eines digitalen Typodesigners zu vermitteln. Froh ist er da schon, dass seine Eltern die Leidenschaft des Sohnes verinnerlicht haben und ihn immer auf seinen Wegen unterstützt haben.


Paul Troppmair Schriftart
Was die Zukunft bringt, kann er im Moment noch nicht einschätzen. Schnell bekomme ich dann doch den Wunsch zu hören, wieder in die Selbstständigkeit zu gehen. Raus aus dem mehrköpfigen Schriftgestalterteam. Hin zu mehr Zeit für seine geliebten Buchstaben in eigene Projekte umzusetzen. In London und Berlin ist der Markt bereits gesättigt für sein Schaffensfeld. In Österreich sieht er noch großes Potenzial. Sein Traum wäre es, mit einem Freund die nächsten Schriftarten für große Unternehmen zu entwickeln. So schließt sich dann am Ende der Kreis vom jungen Student, der seine Liebe zur Kalligrafie entdeckt, in den großen Metropolen Berlin und London arbeitet und vielleicht schlussendlich dem inneren Verlangen nach mehr Zeit für seine Buchstaben vielleicht sogar zurück in seine Heimat folgt.




Paul Troppmair:
www.behance.net/paultroppmair
www.typemedia-2016.com/paul

Über den Autor:

Andreas Hollender
Herausgeber Magazin Handschrift
E-Mail: info@neudenken-media.de
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